Warum Röntgenstrukturanalyse?
Zur Bestimmung der Struktur von kleinen Molekülen führt man Röntgenstrukturanalysen an Einkristallen durch. Bei nicht kristallisationswilligen Proben können aus Pulveraufnahmen die Parameter der Elementarzelle bestimmt werden.
Aus den gemessenen Intensitäten des Beugungsmusters nach Bestrahlung eines Kristalls aus verschiedenen Dichten mit Röntgenstrahlen können Elektronendichten berechnet werden. Das sich aus dem berechneten Modell ergebnede Beugungsmuster wird nun mit dem gemessenen verglichen und dann das Modell in mehreren Verfeinerungszyklen optimiert. Angestrebt wird eine Abweichung des Modells von den gemessenen Daten von weniger als 5%.
Die Röntgenstrukturanalyse geht auf die Forschung von Max von Laue, Walter Friedrich und Paul Knipping zurück, die am 8. Juni 1912 die ersten Röntgenbeugungsaufnahmen an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München präsentierten. [1] Diese Versuche bestätigten sowohl die Wellennatur der Röntgenstrahlen als auch den seit dem 17. Jahrhundert vermuteten symmetrischen Aufbau von Kristallen aus kleinsten Untereinheiten (Johannes Kepler beschrieb 1611 eine Schneeflocke durch ein Modell dicht gepackter Kugeln).
Sowohl die Entdeckung der Röntgenstrahlen von Röntgen als auch die Entdeckung der Röntgenbeugung an Kristallen durch Laue wurden mit Nobelpreisen geehrt, beide Forscher erhielten den Nobelpreis für Physik, Röntgen 1901 den ersten überhaupt, Laue 1907.
Die Röntgenbeugungsaufnahmen entstehen durch Interferenz: Die Röntgenstrahlen regen die Atome im zu untersuchenden Molekül an, dadurch senden diese ebenfalls Röntgenstrahlung aus. Durch Überlagerung der ausgesandten Strahlung aller Atome entsteht ein Interferenzmuster mit Maxima und Minima. Aus der Lage und Intensität der Maxima lässt sich mit Hilfer rechnergestützter Methoden dann die Struktur der untersuchten Verbindung ermitteln.
Nach Peter G. Jones gibt es drei Hauptgründe, um eine Röntgenstrukturanalyse durchzuführen (oder durchführen zu lassen): Um eine unbekannte Substanz zu identifizieren, um akkurate interatomare Abstände und Winkel zu erhalten, um die absolute Struktur einer chiralen Verbindung zu bestimmen. [2] Dabei ist die Aufklärung der Strukturen neuer Verbindungen ein wesentlicher Aspekt für die Forschung im Bereich der synthetischen Chemie, da sie Ausgangspunkt für eine anschließende theoretische Entwicklung der Elektronenmodelle der im Kristall vorliegenden Moleküle sein kann. [3]
[1] W. Friedrich, P. Knipping und M. Laue, Sitzungsberichte der mathetmatisch-physikalischen Klasse der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München (1912) 303-322.
[2] Peter G. Jones, Chem. Brit. 17 (1981)222-225.
[3] John H. Enemark, J. Chem. Educ. 65 (1988) 491-493.